Entweder Unterwerfung oder Idlib – vor dieser Wahl standen in den vergangenen Jahren Hunderttausende Syrerinnen und Syrer, deren Gebiete von Präsident Baschar al-Assad zurückerobert wurden. In den Provinzen Homs und Hama, in Ost-Aleppo, Ostghuta und Daraa bediente sich sein Regime stets der gleichen Methoden: abriegeln, aushungern, dauerbombardieren und Infrastruktur zerstören, bis die Bewohnerinnen nicht mehr konnten, Rebellen kapitulierten und der zivile Widerstand am Ende war.

Dann kamen die Busse zur sogenannten Evakuierung, Assad-Gegner wurden mitsamt Familien nach Idlib zwangsvertrieben, darunter Kämpfer, Vertreter der Lokalen Räte, Lehrerinnen, Ärztinnen und Aktivisten. Wer als Oppositioneller blieb und auf ausgehandelte Waffenstillstände, Garantien des Regimes oder Zusagen Russlands vertraute, wurde umgebracht oder verhaftet.

Idlib wurde zum letzten Zufluchtsort, zum Sammelbecken der Assad-Feinde, zum Hotspot des Widerstands – und zum Inbegriff seines Scheiterns. Seit Jahren bekämpfen sich dort rivalisierende Rebellen, türkeitreue Islamisten und zugezogene Dschihadisten gegenseitig und machen den zivilen Kräften das Leben schwer – zur Freude Assads. Nun befürchten die Vereinten Nationen, dass das Regime bald eine Offensive auf die nordwestliche Provinz beginnt. Dann gibt es für die zwei Millionen Bewohner – davon die Hälfte Binnenflüchtlinge, drei Viertel abhängig von humanitärer Hilfe – kaum einen Ausweg mehr.

Die Grenzen zur Türkei sind dicht, die Umgebung steht unter Assads Kontrolle, nur eine Flucht nach Afrin und in das Gebiet nördlich von Aleppo – beide inzwischen türkische Protektorate – wäre eine Option. Oder die Weiterreise in den kurdischen Nordosten, den die Partei der Demokratischen Union (PYD), die syrische PKK-Schwester, verwaltet. Allerdings bemühen sich kurdische Unterhändler aus Angst vor Erdoğans Militärkampagnen schon jetzt um einen Kompromiss mit Assad. Dann wäre es für Regimekritiker unter PYD-Herrschaft nicht wirklich sicher.

Das Problem ist: Syrerinnen und Syrer aus Idlib will keiner haben. Die Türkei nicht – sie hat schon 3,5 Millionen Syrer aufgenommen und plant die Rückführung und gezielte Ansiedlung sunnitischer Araber in den von ihr kontrollierten Gebieten, um den kurdischen Einfluss zurückzudrängen. Andere Nachbarländer nicht, weil ihre Grenzen der Belastbarkeit längst überschritten sind. Und ein Europa, das über private Rettungshelfer streitet (ob auf See oder in Syrien), schon gar nicht. Selbst Assad will die Bewohner Idlibs am liebsten loswerden, schließlich haben die meisten von ihnen den Aufstand gegen ihn aktiv oder passiv unterstützt.