Die Vereinten Nationen haben die syrische Regierung eindringlich davor gewarnt, einen Angriff auf die Region Idlib im Süden des Landes zu starten. Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hatte eine solche Offensive auf eines der letzten großen Rebellengebiete angekündigt. Am Donnerstag berichteten Aktivisten von entsprechenden Vorbereitungen der Armee.

Die UN forderte sofortige Verhandlungen, um einen solchen Angriff zu verhindern. "Die letzte enorme Sorge ist Idlib", sagte der UN-Hilfskoordinator für Syrien, Jan Egeland. Es dürfe nicht erlaubt werden, dass "der Krieg nach Idlib gelangt". Es sei bereits schlimm, doch könnte es noch "hundertmal schlimmer" kommen.

Egeland äußerte die Hoffnung, dass es möglich sein werde, wie in anderen Gebieten ein Versöhnungsabkommen zu schließen. "Diese Region schreit nach einer diplomatischen Lösung", sagte Egeland. Noch habe er Hoffnung, da sich die Türkei wie auch Assads Verbündete Russland und Iran entschlossen gezeigt hätten, eine Offensive zu verhindern.

Doch Aktivisten berichten, dass ein Angriff der syrischen Armee schon im Gange sei. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte – deren Angaben nicht unabhängig geprüft werden können, die ihre Informationen jedoch aus Syrien bezieht und diese auch häufig den Tatsachen entsprechen – meldete am Donnerstag, die Armee bombardiere bereits Stellungen der Rebellen. Artilleriegeschosse und Raketen seien demnach im Gebiet um die Stadt Dschisr al-Schughur im Süden der Region niedergegangen. Das Bombardement solle eine Offensive vorbereiten, doch hätte es bisher noch keinen Vorstoß der Bodentruppen gegeben.

Weiter hieß es, Assad ziehe seine Truppen zusammen: Seit Dienstag würden weitere Soldaten, Munition und Fahrzeuge an den Fronten westlich von Dschisr al-Schughur, auf der Ebene von Sahl al-Ghab im Süden von Idlib und am Südostrand der Provinz eintreffen, teilte die Beobachtungsstelle mit.

Aktivisten berichten von Flugblättern über Idlib

Die Einwohnerinnen und Einwohner der Region seien zudem vor einer Offensive gewarnt worden, berichtet die Beobachtungsstelle. Demnach sollen Helikopter Flugblätter über Dörfern im Osten Idlibs abgeworfen haben, in denen die Einwohner aufgerufen wurden, sich zu ergeben. "Der Krieg nähert sich seinem Ende", heiße es darin. "Wir rufen euch auf, euch wie viele Menschen Syriens den örtlichen Versöhnungsvereinbarungen anzuschließen." Von dieser Entscheidung werde "das Schicksal eurer Familie, Kinder und Zukunft abhängen", lautet demnach die Warnung der Regierung.

Nach der Einnahme von Homs, Ost-Ghuta und Daraa ist Idlib das letzte große Gebiet unter Kontrolle von Rebellen. In der Provinz an der Grenze zur Türkei leben etwa 2,5 Millionen Menschen, darunter Hunderttausende, die in den vergangenen Monaten und Jahren aus anderen Landesteilen geflohen waren. In den vergangenen Monaten wurden auch Zehntausende Rebellen im Zuge von Vereinbarungen mit der Regierung nach Idlib gebracht.

Die Regierungen in Russland, Iran und der Türkei hatten Idlib in der Vergangenheit zu einer sogenannten Deeskalationszone erklärt und für die Region eine Waffenruhe vereinbart. Assad indes hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er auch diese Region zurückerobern will. Im Juli kündigte er an, Idlib als nächstes ins Visier zu nehmen. Begründet hat er den Einsatz mit seinem Kampf gegen "Terroristen", die von der Waffenruhe ausgenommen sind.

Türkei will Offensive verhindern

Die Türkei, die in der Region Idlib für die Überwachung der Waffenruhe zuständig ist und dort Kontrollposten errichtet hat, will eine Offensive der syrischen Armee unbedingt verhindern. Die Regierung in Ankara fürchtet, dass sonst Hunderttausende Flüchtlinge in das Nachbarland gelangen wollen. Die UN haben die Türkei angehalten, die Grenzen für den Fall eines Angriffs offen zu halten.

International gibt es auch deshalb Sorge, weil die meisten Kämpfer in Idlib radikalen islamistischen Gruppen angehören. Rund 60 Prozent der Provinz sind in der Hand der Dschihadistenallianz Hajat Tahrir al-Scham, die von dem früheren syrischen Al-Kaida-Ableger dominiert wird. Der Rest wird von islamistischen Rebellen kontrolliert. Da Idlib die letzten Rebellenregion im Norden ist, kommt ein Abzug in andere Gebiete kaum noch in Frage.