Bundesweites Tierschutznetzwerk berichtet zu Missständen im Circus Voyage auf der Tour 2017

"Der Circus Voyage tourt seit März 2017 durch 17 Städte im Norden und Osten von Deutschland und beendet seine Tournee mit dem Weihnachtszirkus am Olympiastadion in Berlin. Bereits in der Vergangenheit fällt der Zirkus wegen seines Umgangs mit Tieren auf. So versterben wiederholt Tiere im Zirkus aufgrund von Erkrankungen und vor Erreichen des Durchschnittsalters. Der bisher wohl grausamste Fall war das Schicksal der Elefantendame Mausi, die nach jahrelangem Leiden 2012 nach einer Reise von Berlin nach Belgien qualvoll stirbt. Bis heute wird der Zirkus dafür nicht zur Verantwortung gezogen.

Der Zirkus ist der letzte in Deutschland, der noch mit Giraffen reist. Für einen mit dem Tierschutzgesetz konformen Transport sind die Anforderungen hoch. Dazu gehört der aufrecht stehende Transport mit Kopffreiheit der beiden ca. 3,5 und 4 m großen Giraffen Shakira und Sabu. Bei dem dafür nötigen Spezialtransport handelt es sich um einen Großraumtransport. Jahrelang hatte der Zirkus die dafür erforderlichen Genehmigungen nach StVZO und StVO nicht eingeholt. Bis heute erfüllt der Zirkus die Tierschutz-Anforderungen nicht. Darüber hinaus ist ein regelmäßiger Transport von Giraffen aufgrund der Belastung abzulehnen, wie es beispielsweise die Bundestierärztekammer 2016 forderte.

Reist der Zirkus zum nächsten Gastspielort müssen alle Tiere den halben bis ganzen Tag in kleinen Transportern verbleiben, obwohl die reine Fahrzeit zwischen 20 Minuten und 4 Stunden beträgt. Hintergrund sind logistische und organisatorische Schwierigkeiten, für die der Zirkus selbst verantwortlich ist. Damit verstößt der Zirkus gegen das TierSchG und die VO (EG) 1/2005.

An den Gastspielorten wird dem Zirkus häufig, aber nicht immer, durch Veterinärämter eine gute Haltung bescheinigt. Eigene Beobachtungen zeigen jedoch, dass der Zirkus selbst die nur geringen Anforderungen der Zirkusleitlinie wiederholt und in zahlreichen Fällen nicht einhält. Gehege werden nicht mit dem Nötigen ausgestattet, das Futterangebot ist unzureichend, das Stallklima und der Untergrund sind für die Tiere nicht geeignet, ein Teil der Tiere erhält keinen Auslauf, es fehlt an Beschäftigung…

Diese schlechten Haltungsbedingungen spiegeln sich auch 2017 in der Gesundheit der Tiere wider. So wird ein Elefant trotz Lahmheit von Bremen nach Wilhelmshaven transportiert. Die Giraffen haben nach dem Transport verdickte Karpalgelenke. Die Giraffen zeigen an jedem Gastspielort orale Stereotypien, bei einem Elefanten und bei einem Pferd wird wiederholt das bekannte Weben beobachtet. Darüber hinaus weisen mehrere Tiere Narben auf, auch akute Verletzungen sind zu sehen.

Bereits wiederholt sind Tiere aus dem Circus Voyage ausgebrochen. Ursache dafür sind unzureichende Einzäunungen. Lose Zaunteile werden mit Bindfaden verbunden. Elektrozäune werden nur einzeilig gespannt statt dreizeilig, Strom wird gar nicht erst angelegt und die Tiere werden zudem trainiert, über den Elektrozaun zu steigen.

Über vieles davon werden allein im Jahr 2017 Veterinärämter, Straßenverkehrsbehörden und Polizei informiert. Die Reaktion fällt unterschiedlich aus. Während bis auf wenige Ausnahmen die Veterinärämter und Straßenverkehrsbehörden wegsehen, d. h. sie führen Kontrollen durch ohne die Mängel zu bemerken oder gar abstellen zu lassen, geht die Polizei in der Regel den Vorwürfen nach. Das mündet besonders im Bereich der StVO und StVZO in mehreren Ordnungswidrigkeitsverfahren, die an übergeordneter Stelle jedes Mal eingestellt werden. Das Zirkuszentralregister versagt, da Kontrollen nicht an allen Gastspielorten durchgeführt werden, Eintragungen zu spät erfolgen oder keinerlei Mängel vermerkt werden. Dadurch greifen auch Vermerke einzelner Veterinärämter nicht, die am nächsten Gastspielort einer weiteren Verfolgung bedürfen. Sieht ein Veterinäramt genauer hin, wird es, wie im Fall des Veterinäramts Berlin-Mitte im Mai 2017, vom Circus Voyage als befangen erklärt und erhält Hausverbot. Das pflichtbewusste Veterinäramt kommt mit der Polizei wieder und wird prompt durch einen Hund des Zirkus angegriffen. Ein Amtstierarzt und ein Polizist werden gebissen. Wenn der Zirkus bereits bei staatlichen Organen zu solchen Mitteln greift, ist es nicht verwunderlich, dass Tierschützer/innen, die im April 2017 den Giraffentransport dokumentieren, auf der A13 durch zwei Lkws des Zirkus mittels einer Vollsperrung abgedrängt und gestoppt werden, anschließend von mehreren Mitarbeiter/innen des Zirkus attackiert und verletzt werden. Es entsteht ein Sachschaden von rund 3000 Euro.

Unklar bleibt, warum ein Zirkus diese Narrenfreiheit genießt und die Verwaltung den Eindruck erweckt, für den Circus Voyage gelten Gesetze nicht. Den Veterinärämtern kommt eine entscheidende Rolle zu. Da ihnen in Tierschutzfragen die alleinige Handlungshoheit obliegt, entsteht daraus eine besondere Verantwortung. Dieser Verantwortung werden die Veterinärämter in Bezug auf den Circus Voyage bisher nicht gerecht. Die Folgen tragen die Tiere, aber auch die wenigen Amtskolleg/innen, die sich ihrer Verantwortung stellen.
Festzuhalten bleibt, die Veterinärämter schöpfen ihren Handlungsrahmen nicht aus. Zahlreiche Erfahrungsberichte zu anderen Tierhaltungen im Schaustellergewerbe weisen darauf hin, dass es sich beim Circus Voyage um keinen Einzelfall handelt. Das ist in Bezug auf die Veterinärämter besorgniserregend und zeigt, dass die Tierhaltung im Schaustellergewerbe im Regelfall mit dem Tierschutzgesetz nicht zu vereinbaren ist.

Am 8. Dezember wurde im Berliner Abgeordnetenhaus eine Dokumentation über den Circus Voyage von Jens Hübel und Peter Hübner vorgestellt. Sie sind Teil eines bundesweiten Tierschutznetzwerks. An dieser Dokumentation arbeiteten über 50 Personen mit.

Quelle: Pressetext zur Veranstaltung am 08.12.17 im Berliner Abgeordnetenhaus