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Wettflug in den Tod

Für viele der letzte Flug: 20 000 Brieftauben starten an diesem Wettkampf, eine grosse Anzahl wird nicht am Zielort eintreffen. Foto: AFP

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Parallel öffnen sich die Gittertürchen. 830 Brieftauben steigen über der deutschen Kleinstadt Messkirch auf. Möglichst schnell sollen sie den Heimweg zu ihren Besitzern in der Schweiz finden. Der Wettkampf vor zwei Wochen führte über 180 Kilometer. Etliche Tauben überleben es nicht.

Der Schweizer Tierschutz (STS) hat den Brieftaubensport seit 2015 untersucht. Jetzt zieht er ein vernichtendes Fazit: Pro Jahr fallen gegen 75 Prozent aller Tauben aus. Am ersten Rennen der Saison 2017 nahmen 5857 Brieftauben teil. Beim letzten waren es nur noch 1561. «Einzelne Tiere fallen wegen Verletzungen oder Krankheiten aus», sagt STS-Geschäftsführer Hansuli Huber. «Aber die allermeisten verenden während dieser Rennen.»

Die Szene ist extrem kompetitiv

In der Luft lauern Greifvögel, am Boden Katzen. Hinzu kommen Jäger oder extreme Wetterlagen. «Das grösste Problem sind aber die Besitzer selbst», sagt Huber. «Die Szene ist extrem kompetitiv. Halter von Brieftauben ordnen alles dem sportlichen Erfolg unter, auch das Tierwohl.» Die Flugrouten werden immer länger, betragen heute bis zu 540 Kilometer. Orientierungslosigkeit und Erschöpfung sind die Folge, die Brieftauben landen in der Wildnis. Dort können sie, über Jahrhunderte hinweg domestiziert, nicht überleben.

Verschiedene Auffangstationen berichten, dass bei ihnen oft gefundene Brieftauben abgegeben werden. Die Besitzer nähmen die schwachen Tiere aber kaum zurück. Der STS fordert nun ein Verbot der Wettkämpfe, beruft sich dabei auf Artikel 26 im Tierschutzgesetz. Laut diesem gilt jede unnötige Überanstrengung als Tierquälerei. «Bei den Taubenrennen ist dies systematisch der Fall. Sonst wären die Ausfallquoten nicht so hoch», sagt Huber.

«Den Behörden ist ihr Tod egal»

Unterstützung erhält er vom Grünen-Nationalrat Louis Schelbert. Dieser hatte die vielen Ausfälle im März beim Bundesrat beanstandet. Bisher habe man keine generelle Überanstrengung festgestellt, hiess es in der Antwort.Das ist Schelbert zu wenig. «Wenn bei Pferderennen ein einziges Tier stirbt, ist das ein riesiger Skandal und es gibt Sofortmassnahmen. Aber Tauben gelten als lästig und dreckig, als Ratten der Lüfte. Dass sie zu Tausenden sterben, ist den Behörden offenbar egal.»Im Herbst wird der Luzerner erneut einen Vorstoss einreichen. Er fordert ein Verbot von längeren Rennen – zumindest bis der Bund die Situation vertieft geprüft hat.

In Bern will man die Erhebung des STS nicht kommentieren. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen arbeitet laut Informationschefin Kathrin Naegeli jedoch daran, selbst entsprechende Informationen mit den Kantonen zusammenzutragen. «Solange keine klaren Daten und Fakten vorliegen und Gespräche geführt werden, sind keine zeitlich befristeten Verbote vorgesehen.»

«In der Natur gibt es Feinde und Widerstände»

Betroffen wären knapp 300 Halter, die regelmässig an Wettkämpfen teilnehmen. «Damit würde man eine bewährte Tradition zu Unrecht verbieten», sagt Jean-Pierre Nell, Präsident des Schweizerischen Brieftaubensport-Verbands (SBV). «Es stimmt, dass die Verluste zum Teil hoch sind. Aber daran sind nicht die Besitzer schuld.» Man könne die Wettbewerbe nicht mit Pferderennen vergleichen. «Unsere Wettkämpfe finden in der freien Natur statt, wo es Widerstände und Feinde gibt», sagt Nell. Die meisten Verluste seien auf Greifvögel zurückzuführen. «Genau für diese setzen sich die Tierschützer ironischerweise immer wieder ein.»

Der STS reichte am Montag Anzeige wegen Tierquälerei gegen Nell ein. Denn auch der Präsident liess vor zwei Wochen in Messkirch Tauben starten. Von 91 kehrten 50 zurück. «Bei einigen Kollegen waren es noch weniger», sagt er. «Mir ist das ein Rätsel. Das Wetter war gut und die Distanz kurz.»